Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder der DVJJ Niedersachsen,
die Landesgruppe Niedersachsen bietet seit einiger Zeit in regelmäßigen Abständen kostenlose Online-Veranstaltungen an. Ziel ist es, den Beteiligten im Jugendstrafverfahren auf unkompliziertem Wege mit Informationen zu aktuellen Themen zu versorgen. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, die Vernetzung und Kooperation in unserem Bundesland zu stärken.
Projektvorstellungen:
Wir sehen es als Teil unseres Auftrages an, Trägern und Initiativen, die unserer Klientel zur Verfügung stehen, eine Möglichkeit zu geben, sich uns und Ihnen vorzustellen.
Vor diesem Hintergrund freuen wir uns, auf unsere neue Veranstaltungsreihe aufmerksam machen zu können:
„Das weiß ich!“ – nützliches Hintergrundwissen und Handwerkzeug für Fachkräfte in der Arbeit mit jungen strafauffälligen Menschen.
Kooperationsveranstaltung Online
Neben der Vorstellung von Projekten, Anlaufstellen und weiteren Angeboten möchten wir auch den aktuellen Stand der Forschung abbilden und Sie mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu unseren Handlungsfeldern versorgen.
09.09.2024 – 17:00 Uhr: „Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit – wenn die Schweigepflicht zur Aussagepflicht wird“
Die Fachveranstaltung, mit Prof. Dr. Maren Burkhardt, Fachgebiet Strafrecht von der Hochschule Hannover und Georg Grohmann (Sozialarbeiter/-pädagoge, MA); Chemnitz, Sprecher Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/ Mobile Jugendarbeit, geht anhand von Fallbeispielen aus der Berufspraxis, aktueller Entwicklungen (siehe unten) und einer juristischen Einschätzung, auf die Problematik des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts in der Sozialen Arbeit ein.
Soziale Arbeit unter Druck
Eingetroffene Strafbefehle im Fanprojekt Karlsruhe übertreffen alle Befürchtungen!
Pressemitteilung des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit:
Im Rechtsstreit zwischen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und dem dortigen Fanprojekt haben die betroffenen Kolleg*innen Strafbefehle wegen Strafvereitelung in Höhe von jeweils 120 Tagessätzen á 60 Euro erhalten. Dies erfolgte im Zuge von Aussageverweigerungen der Mitarbeitenden des Fanprojekts, welche sich auf ihre Schweigepflicht bezogen, um das Vertrauensverhältnis zu ihren Adressat*innen und somit ihre sozialarbeiterische Arbeitsgrundlage zu schützen. Die Folgen waren Ordnungsgelder, Androhung von Beugehaft und nun Strafen in einer völlig verheerenden Dimension. Sollten die Strafbefehle Rechtsgültigkeit erlangen, wären die Betroffenen vorbestraft und schließlich auch mit massiven Strafzahlungen konfrontiert. Neben den persönlichen Schicksalen sieht das Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ) hier auch einen massiven Eingriff in die Profession und Berufspraxis der Sozialen Arbeit.
„Wir müssen hier von einer eklatanten Bedrohung der Sozialen Arbeit insgesamt sprechen“, erklärt Georg Grohmann, Sprecher des BfZ. „Die Bundesregierung muss endlich aufwachen und ihr Desinteresse an dieser Thematik beenden, soll Soziale Arbeit weiterhin für die Gesellschaft wirksam sein.“ Matthias Stein, ebenfalls Sprecher des BfZ, ergänzt: „Bereits die Bestrafung der Kolleg*innen ist indiskutabel, die Höhe der Strafe skandalös! Wir stehen hinter den Mitarbeiter*innen des Fanprojekts und sichern ihnen unsere Unterstützung zu.“
Die Ermittlungen der Karlsruher Staatsanwaltschaft aufgrund eines Pyrotechnik-Vorfalls im Oktober 2022 haben nun untragbare persönliche Auswirkungen für die Sozialarbeitenden im Fanprojekt. Die gelungene sozialarbeiterische Aufarbeitung der Folgen des Einsatzes von Pyro-Technik zwischen Geschädigten und Fanszene zeigt die Wirksamkeit der Tätigkeiten im Fanprojekt: Sie boten den geschützten Raum, um Aussprache, Verantwortungsübernahme und Entschuldigung möglich zu machen.
Der Zugriff auf diese sensiblen Informationen durch die Staatsanwaltschaft war für die Fanprojektler*innen keine Option, eine mögliche Schließung des Fanprojekts aufgrund von Vertrauensverlust eine realistische Folge. Die Alternative hieß, das besondere Vertrauensverhältnis -und damit die Arbeitsgrundlage für das Fanprojekt – zu schützen und zu schweigen, jedoch nun persönlich dafür die Konsequenzen tragen zu müssen.
Änderungen herbeiführen kann der Gesetzgeber. „Die ablehnende Haltung der Bundesregierung macht leider deutlich, dass die Notwendigkeit eines Zeugnisverweigerungsrechts für die Soziale Arbeit, die Dynamiken, welche Vorladungen und Ermittlungen auslösen sowie ihre dramatischen Auswirkungen für die Praxis auf politischer Ebene immer noch nicht verstanden wurden“, so Matthias Stein.
„Wir fordern das Justizministerium auf, sich endlich inhaltlich mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen, anstatt immer wieder das überholte Verfassungsgerichtsurteil von 1972 zu bemühen“, ergänzt Georg Grohmann. Ein aktuell von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) vorgelegtes Rechtsgutachten liefert hierfür konkrete Vorschläge, wie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mit den zu schützenden Vertrauensverhältnissen der sozialarbeiterischen Praxis in Einklang gebracht werden können.
Abschließend betont Matthias Stein: „Wir können es uns überhaupt nicht erlauben, hier Ruhe zu geben, wir müssen uns und unsere Arbeit schützen.“ Das BfZ wird am kommenden Dienstag zum Internationalen Tag der Sozialen Arbeit (19.03.2024) eine Kundgebung vor dem Justizministerium in Berlin abhalten, um den Druck zu erhöhen und weiter Öffentlichkeit für die Problematik herzustellen. Sozialarbeiter*innen und Unterstützer*innen des Anliegens sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen.
Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung unter dem Stichwort: „Zeugnisverweigerungsrecht“ unter niedersachsen@dvjj.de
Wir freuen uns auf den Austausch!
Dennis Sögding
Landesgruppe Niedersachsen in der DVJJ